Fürbitte und Unser Vater
In der Fürbitte bringen die Betenden ihre Anliegen, Sorgen und Ängste zum Ausdruck und tragen sie vor Gott. Dabei bitten sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere. Die im Gottesdienst versammelte Gemeinde weitet so ihren Blick über den eigenen Horizont hinaus. Die Fürbitte ist eine „Form solidarischer Weltwahrnehmung“ (Matthias Grünewald). Sie hält das Bewusstsein wach, dass der Gottesdienst nicht ein in sich geschlossener Kultus ist, sondern dass die Kirche und jeder Einzelne mit Verantwortung trägt für das Gemeinwohl.
Das Fürbittegebet nimmt sich besonders jener Personen an, „die in ihrem Leben verletzt oder eingeschränkt sind: Benachteiligte, Kranke, Sterbende. Doch brauchen auch die glücklichen, lebensfrohen, gesunden und tatkräftigen Menschen die fürbittende Begleitung der Gemeinde …“ (RefLit, 215). Die Fürbitte hat insofern auch eine starke seelsorgerliche Dimension und bringt die Solidarität der Betenden untereinander, aber auch mit ihnen unbekannten Menschen, die nicht ihrem unmittelbaren Umfeld zugehören, zum Ausdruck.
Das Fürbittegebet kann verschiedene Formen annehmen. Meist formuliert der Liturge stellverstretend für die Gemeinde das Gebet – in einer Weise, dass diese sich mit einfinden kann in die gewählten Worte und Bilder. Die Fürbitten können auch von mehreren Personen verfasst und vorgetragen werden. Mit einem gesprochenen oder gesungenen Bittruf zwischen den einzelnen Gebetsanliegen kann die Gemeinde hörbar in das Gebet mit einstimmen („Wir bitten Dich, erhöre uns“, RG 296, siehe auch Lieder zur Fürbitte). Eine bewusst gestaltete Zeit der Stille schafft Raum für die persönlichen Bitten der Einzelnen.
Meist schliesst das gemeinsam gesprochene Unser Vater unmittelbar an die Fürbitte, bzw. an die Stille an. In ihm sammeln sich die zuvor formulierten Bitten. Dabei ist zu überlegen, wie der Übergang zwischen Fürbitte und Unser Vater so gestaltet werden kann, dass der Gebetsduktus nicht unterbrochen wird (z.B. mit „Wir rufen Dich an mit den Worten, die Jesus uns geschenkt hat“, RG 555).
Grundlagen und Literatur
Fürbitte (C. Boetschi) inkl. Empfehlungen für die Praxis
Zu den Arten und Funktionen der liturgischen Gebete finden Sie hier einen Grundlagentext, zur Fürbitte bes. Seite 10.
Thomas Schlag, Aufmerksam predigen. Eine homiletische Grundperspektive, Zürich 2014.
Peter Bukowski et al., Reformierte Liturgie. Gebete und Ordnungen für die unter dem Wort versammelte Gemeinde (RefLit), Wuppertal / Neukirchen-Vluyn 1999, 213–216.