Glockengeläut und Eingangsmusik
Glockengeläut
Erst seit dem 15. Jahrhundert gab es in europäischen Haushalten Uhren, und lange Zeit standen diese nur privilegierten Familien zur Verfügung. Seit dem 5. Jahrhundert aber, als dank irischer Wandermönche Glocken nach Europa kamen, zeigten diese den Tagesrhythmus an und riefen die Menschen zum Gottesdienst. Deshalb dauert das Gottesdienstgeläut vielerorts auch heute noch 10–15 Minuten: In ungefährer zeitlicher Wegdistanz zur Kirche werden die Menschen aufgefordert, sich auf den Weg zur Kirche zu machen und sich zum Gottesdienst zu versammeln. Während das kirchenmusikalische Eingangsspiel zur inneren Sammlung auffordert und diese unterstützt, übernimmt das Einläuten die physische, äussere Sammlung einer Gemeinde.
Aus früher Zeit entstammen auch das erste und zweite Vorzeichen: zwei je etwa fünfminütige Geläute als Weckruf und als Zeichen, sich für den Gang zur Kirche bereit zu machen.
Im Idealfall – sofern die Anzahl der vorhandenen Glocken dies zulässt – wird mit dem Einläuten auch angezeigt, um was für einen Gottesdienst es sich handelt. So, wie die Lesungen, Lieder, die liturgischen Farben etc. ein bestimmtes Ereignis im Kirchenjahr aufnehmen, so sollte der Ruf zu einem normalen, sonntäglichen Gemeindegottesdienst wenn möglich anders klingen als der Ruf zu einem Festgottesdienst – wie auch fast überall bei Hochzeitsfeiern und Abdankungsgottesdiensten je ein anderer Glockenakkord erklingt. Mancherorts wird durch das Geläut gar angezeigt, ob es sich bei der verstorbenen Person um eine Frau, einen Mann oder ein Kind handelt.
In manchen Gegenden der Schweiz sind auch kurze Geläute während einer Feier üblich, um insbesondere das Beten des Unser Vaters oder den Segen anzuzeigen. Dieses Zeichen soll diejenigen Menschen zum Mitbeten auffordern, bzw. in den Segen einschliessen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht am Gottesdienst teilnehmen können. Damit ermöglicht dieses Geläut eine temporäre Verbindung der Gottesdienstgemeinde mit den nicht Anwesenden. Eine ähnliche Funktion hat der Brauch, während der röm.-katholischen Eucharistiefeier die Wandlung der Elemente mit Glockengeläut anzuzeigen.
Eher selten erklingt heutzutage noch das Ausläuten, das – meist mit nur einer Glocke – den Abschluss eines Gottesdienstes anzeigt: So, wie die Glocken die Gemeinde zur Versammlung gerufen haben, so begleitet die ausläutende Glocke die Gemeindeglieder auf ihrem Weg zurück in ihren Alltag – ein äusserlicher Nachklang zum innerlich nährenden und stärkenden Erlebnis des Gottesdienstes in der Gemeinde.
Felix Gerber, Berner Münster